Automation - Okkupation II


Neue Dresdner Kammermusik (FFIM 2006), Foto: Christoph Boosen, Dresden Neue Dresdner Kammermusik (FFIM 2006), Foto: Christoph Boosen, Dresden Neue Dresdner Kammermusik (FFIM 2006), Foto: Christoph Boosen, Dresden Neue Dresdner Kammermusik (FFIM 2006), Foto: Christoph Boosen, Dresden
Die Arbeit wird weniger. Sie wird immer mehr von Maschinen erledigt. Sie verschwindet. Gleichzeitig werden immer mehr Bereiche des Alltäglichen professionalisiert. Und diese Welt der Professionalität hat den Charakter eines Apparates: sie stellt ein Programm bereit, etwas "vorher geschriebenes", eine Vorschrift. V. Flusser hat einleuchtend die beiden Wege beschrieben, die sich dem Menschen durch den Apparat eröffnen: er wird zum Funktionär des Apparates, bedient ihn; oder er spielt mit ihm, er bedient sich seiner.

Die Musik kennt seit den Zeiten der Zwölftontechnik die Automation von Kreativität: Tonhöhen und in der Folge Rhythmen und alle anderen Parameter der Musik wurden durch mathematische Apparate erstellt. Die Automation auf dieser Ebene war immer großer Kritik ausgesetzt, bis sie durch Gewöhnung ihr Unheimliches verlor. Dazu beigetragen hat der nach öfteren Hören erkennbar begrenzte Spielraum dieser Technik, ihr Programm. Musik hat aber auch auf der Ebene der Ausführung immer mit Apparaten gearbeitet. Das Pianoforte wurde nicht zufällig in einer Zeit der Maschinenbegeisterung erfunden. Wir möchten in unserem Konzert mit Maschinen und Apparaten spielen und so verschiedene Aspekte dieses Verhältnisses erforschen.

Dazu werden wir zuerst unsere Instrumente vollständig automatisieren. Einfache Maschinen die durch ihre Konstruktion ein großes Zufallselement integrieren, werden das erste Stück des Abends spielen.
Wir werden zuhörend eine Partitur erstellen, das Maschinenstück also direkt dokumentieren und dieses Stück dann selbst spielen, um die Unterschiede zwischen maschineller Aktivität und menschlicher Handlung zu untersuchen.
Mit dem so entstandenen Material werden wir dann in einem weiteren Stück "frei" umgehen, um den Aspekt der Gestaltung, der Intention in das Spiel zu bringen.
Nach diesen Re-Okkupationen von Ausführen und Gestalten schließlich werden wir noch eine gemeinsame Improvisation mit einer schwer kontrollierbaren elektronischen Maschine, einem Zufallsgenerator, spielen. Ein Versuch der Versöhnung: das gemeinsame Spiel.

Chris Weinheimer


21. September 2006, Festival Frei Improvisierter Musik (FFIM 2006), Blaue Fabrik, Dresden

Neue Dresdner Kammermusik und Gäste:

Uli Böttcher, Wiesbaden (electronics)
Ole Schmidt, Leipzig (Klarinetten)
Frank Dresig (Piano)
Karoline Schulz (Flöten)
Chris Weinheimer (Violine, Flöten)

Fotos: Christoph Boosen, Dresden