Automation - Okkupation II
Die Arbeit wird weniger. Sie wird immer mehr von Maschinen erledigt.
Sie verschwindet. Gleichzeitig werden immer mehr Bereiche des Alltäglichen
professionalisiert. Und diese Welt der Professionalität hat den Charakter
eines Apparates: sie stellt ein Programm bereit, etwas "vorher geschriebenes",
eine Vorschrift. V. Flusser hat einleuchtend die beiden Wege beschrieben,
die sich dem Menschen durch den Apparat eröffnen: er wird zum Funktionär
des Apparates, bedient ihn; oder er spielt mit ihm, er bedient sich seiner.
Die Musik kennt seit den Zeiten der Zwölftontechnik die Automation von
Kreativität: Tonhöhen und in der Folge Rhythmen und alle anderen Parameter
der Musik wurden durch mathematische Apparate erstellt. Die Automation auf
dieser Ebene war immer großer Kritik ausgesetzt, bis sie durch Gewöhnung
ihr Unheimliches verlor. Dazu beigetragen hat der nach öfteren Hören
erkennbar begrenzte Spielraum dieser Technik, ihr Programm. Musik hat
aber auch auf der Ebene der Ausführung immer mit Apparaten gearbeitet.
Das Pianoforte wurde nicht zufällig in einer Zeit der Maschinenbegeisterung
erfunden. Wir möchten in unserem Konzert mit Maschinen und Apparaten
spielen und so verschiedene Aspekte dieses Verhältnisses erforschen.
Dazu werden wir zuerst unsere Instrumente vollständig automatisieren.
Einfache Maschinen die durch ihre Konstruktion ein großes Zufallselement
integrieren, werden das erste Stück des Abends spielen.
Wir werden zuhörend eine Partitur erstellen, das Maschinenstück also direkt
dokumentieren und dieses Stück dann selbst spielen, um die Unterschiede
zwischen maschineller Aktivität und menschlicher Handlung zu untersuchen.
Mit dem so entstandenen Material werden wir dann in einem weiteren
Stück "frei" umgehen, um den Aspekt der Gestaltung, der Intention in
das Spiel zu bringen.
Nach diesen Re-Okkupationen von Ausführen und Gestalten schließlich
werden wir noch eine gemeinsame Improvisation mit einer schwer
kontrollierbaren elektronischen Maschine, einem Zufallsgenerator, spielen.
Ein Versuch der Versöhnung: das gemeinsame Spiel.
Chris Weinheimer
21. September 2006, Festival Frei Improvisierter Musik (FFIM 2006), Blaue Fabrik, Dresden
Neue Dresdner Kammermusik und Gäste:
Uli Böttcher, Wiesbaden (electronics)
Ole Schmidt, Leipzig (Klarinetten)
Frank Dresig (Piano)
Karoline Schulz (Flöten)
Chris Weinheimer (Violine, Flöten)
Fotos: Christoph Boosen, Dresden
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